Kindergarten in Großwenkheim wird 100 Jahre

Über dem stattlichen Eingangsportal des Kindergartens in Großwenkheim steht deutlich die Jahreszahl 1911, das Baujahr des Gebäudes, das zu den eindrucksvollsten im ganzen Ort gehört. In der Ortschronik von Großwenkheim hat Wendelin Volk viele interessante Details aufgeschrieben. Am 24. und 25. Oktober 1911 wurde das außen noch nicht verputzte Gebäude eingeweiht und in Betrieb genommen. Gleichzeitig wurden drei Ordensschwestern der Erlöser-Schwestern aus Würzburg eingeführt.

 

Um die Jahrhundertwende und bis zur Nutzung der neuen Kinderbewahranstalt besuchten die Großwenkheimer Kleinkinder die am 7. Januar 1902 eingeweihte Kleinkinderbewahranstalt in Kleinwenkheim. Der etwa zwei Kilometer lange Weg wurde täglich zu Fuß zurückgelegt. Am 3. März 1903 wurde von 165 Bürgern unter Vorsitz des Ortspfarrers Josef Gügel in Großwenkheim ein „Anstalts-Verein“ gegründet. Laut Satzung sollten möglichst viele Geldmittel für eine eigene Kinderbewahranstalt besorgt werden. Der monatliche Vereinsbeitrag betrug damals, kaum zu glauben, zehn Pfennig. Unterstützung bekam der Verein von verschiedenen Seiten. Die Gemeinde stellte das Bauholz im Werte von 642,50 Mark zur Verfügung. Spenden der aus Großwenkheim stammenden Geistlichen, Geldzuwendungen vieler ungenannter Bürger und ein Sparkonto über 6 648 Mark ermöglichten den Baubeginn im Vorsommer 1911. Die Handwerker langten kräftig zu und bereits zur Sommerernte stand der Rohbau des stattlichen Hauses nach den Plänen des Würzburger Architekten Rudolf Hofmann. Die gesamten Baukosten beliefen sich auf 21 800 Mark, eine Summe, die heute kaum vorstellbar ist. So kosteten beispielsweise eine Pferdefuhre Bruchsteine, aus Wermerichshausen geliefert, 4,50 Mark und 1000 Backsteine aus dem Klostergut Bildhausen 30 Mark. Mit einem Pumpwerk wurde das Wasser aus einem neu gebohrten, 12 Meter tiefen Brunnen in das Haus gefördert. Mit dem Mutterhaus der Erlöser-Schwestern in Würzburg wurde am 28. Mai 1911 vom St. Johannis-Zweigverein Großwenkheim ein Vertrag geschlossen, nach dem die Schwestern die Leitung der Kinderbewahranstalt, der Arbeitsschule und die Besorgung der ambulanten Krankenpflege in der Gemeinde übernehmen. Auch damals wurde schon vieles strikt geregelt, wie es in der klosteraufsichtlichen Genehmigung des Königlich Bayerischen Staatsministeriums des Inneren für Kirchen- und Schulangelegenheiten vom 3. Oktober 1911 steht. „Die Vorstandschaft des Vereins Kleinkinderbewahranstalt Großwenkheim ist darauf aufmerksam zu machen, dass beim Auftreten ansteckender Krankheiten die Krankenschwester vom Verkehr mit der anderen Schwester und den dieser anvertrauten Kinder sich abzuschließen hat und dass von den Schwestern, die zur Verhütung der Weiterverbreitung der Krankheit getroffenen amtsärztlichen Anordnungen zu beachten sind.“ Am 25. Oktober 1911 kamen die ersten drei Schwestern nach Großwenkheim, Sr. M. Geriwalda als Oberin (bis 8. Mai 1919), Sr. M. Waltera (bis 15. Oktober 1922) und Sr. M. Theodulfa (bis 29. April 1912). Die Schwestern sorgten zusätzlich für die Kirchenwäsche und veranstalteten Theaterspiele. Die Kleinkinderbewahranstalt wurde mit Beschluss vom 20. November 1911 polizeilich genehmigt. Im Jahre 1912 wurden der Spielplatz und Gemüsegarten der Anstalt mit einer zwei Meter hohen Backsteinmauer eingefriedet. Imposant waren damals die Geburtenzahlen. Von Mai 1905 bis September 1909 kamen 125 Kinder zur Welt, davon waren aber bis 1911 bereits 46 gestorben. 54 Kinder besuchten 1911 die Anstalt. In der Satzung vom 20. August 1911 war festgelegt: „Zweck der Kinderbewahranstalt ist, die Kinder, welche ihr übergeben werden, vor Gefahren des Leibes und der Seele zu bewahren, sie zu beaufsichtigen und durch passende Spiele und Unterhaltungen ihre leibliche und geistige Entwicklung fördern zu helfen.“ Der Tagesablauf war in einem „Stundenplan“ exakt festgelegt. 8.00 Uhr – 8.45 Uhr versammeln sich die Kinder im Saal oder Garten; 8.45 Uhr wird jedes Kind (gesondert) auf den Abort geführt; 9.00 Uhr kleines Morgengebet und Lied; 9.30 Uhr – 10.00 Uhr Vesperbrot; 10.00 Uhr – 10.45 Uhr Erzählungen von Geschichten, Sprüchlein; 10.45 Uhr Tischgebet; 11.00 Uhr gehen die Kinder nach Hause; 12.00 Uhr – 12.45 Uhr versammeln sich die Kinder im Saal oder Garten; 12.45 Uhr wird jedes Kind (gesondert) zum Abort geführt; 13.00 – 14.00 Uhr Spiele, so möglich im Garten; 14.00 Uhr – 15.30 Uhr Schlafgelegenheit; 15.30 Uhr wird jedes Kind (gesondert) zum Abort geführt; 15.45 Uhr Vesperbrot; 16.00 Uhr – 17.15 Uhr Bewegungsfreiheit; 17.15 Uhr kurzes Abendgebet; 17.30 Uhr gehen die Kinder heim oder schon um 16 Uhr oder 16.30 Uhr oder 17 Uhr (Winter). Keine leichte Aufgabe hatte die Kindergartenschwester, die alleine oft deutlich über 50 Kinder zu betreuen hatte. „Wir mussten, ob es uns gefallen hat oder nicht, in die Anstalt“, erinnert sich Salesia Ziegler (77) an ihre Anstaltszeit zwischen 1937 und 1940. Die Eltern hätten schon den nötigen Druck ausgeübt und man sei immer wieder mit gemischten Gefühlen in die Anstalt gegangen. Über die damalige Kinderschwester Lea hat Salesia Ziegler „keine Beschwerden“, obwohl sie rund 70 Kleinkinder um sich herum hatte. Ziemlich strenge Disziplin sei aber unbedingt notwendig gewesen. Einige in den zwanziger Jahren geborene Mädchen erhielten sogar den Namen einer Schwester, worüber sie im späteren Leben nicht immer glücklich waren, da er außergewöhnlich war und oft buchstabiert werden musste. Am 20. September 1954 wurde der Kindergartenträger in „St. Elisabethen-Verein Großwenkheim“ umbenannt. Von Beginn an wirkten die Schwestern der Kongregation des Erlösers segensreich nicht nur im Kindergarten und hatten in der Bevölkerung sehr hohes Ansehen. Wegen Schwesternmangels wurde am 2. November 1982 die dritte Schwester abgezogen. Im Jahre 1988 schließlich erfolgte die Auflösung der Schwesternstation. Sr. M. Rathildis Witzel (Oberin) und Sr. Harlindis Schmitt (Kindergartenschwester) waren die beiden letzten Schwestern in Großwenkheim.

Im Laufe der Jahre wurden immer wieder Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen am Gebäude in der Rhöntrasse, das im Erbauungsjahr am Dorfende stand, durchgeführt. So wurden 1971 sämtliche Fenster und Außentüren erneuert und 1973 das Gebäude außen renoviert. Gravierende Veränderungen erfolgten 2008 im Rahmen einer „Aktiv-Messe.“ In einer beispielhaften Aktion wurde das Gebäude unter starker Mithilfe verschiedener Firmen und Mitbürger durch zahlreiche Veränderungen in ein Mehrgenerationenhaus umfunktioniert. „Die Erhaltung des Hauses und dessen Nutzung für alle Generationen“ nannte Lukas Gessner, Vorsitzender des Sankt Elisabethenvereins, als weitreichendes Ziel. Heute besuchen 14 Kinder, „die kleinen Strolche“, die Kindertagesstätte

Weitgehend erhalten ist noch die Backsteinmauer aus dem Jahre 1912, die das Areal an drei Seiten einfriedet. Nur zur Frontseite zur Straße hin war ursprünglich ein eiserner Sicherheitszaun, seit 2008 ist ein neuer, moderner Zaun aus Metallgitterstäben.

 

 

Kindergarten um 1918

Foto1: Kindergartenkinder mit den Schwestern um 1918

 

 

Kindergarten heute

Foto2: „Die kleinen Strolche“ mit den Erzieherinnen, Leiterin Julia Glöckler (links)
und Diana Reuscher vor dem 100 Jahre alten Kindergartengebäude.

 

 

Kindergarten heute 2

Foto3: „Die kleinen Strolche“ mit den Erzieherinnen Diana Reuscher (links)
und Leiterin Julia Glöckler (rechts) vor dem 100 Jahre alten Kindergartengebäude.

 

 

Salersia Z.

Foto4: Salesia Ziegler