Der Herr der Drachen
Die Herbstzeit gilt auch als Zeit der Drachen, die unter Ausnutzung der Naturkräfte am Himmel tanzen. Einer, der sich, weitgehend unbekannt, in seiner Freizeit recht intensiv mit diesen Flugkörpern beschäftigt, ist der Großwenkheimer Karl-Heinz Mohr.
1991 hat sich der Maschinenbaumeister einen Kinderdrachen gekauft, um das Spielen mit dem einfachen Flugobjekt selbst auszuprobieren. „Da hat mich der Drachenvirus gepackt und seitdem beschäftige ich mich mit Drachen", so Mohr zu den Anfängen seines Hobbys. Seine Sammlung, Marke Eigenbau, umfasst inzwischen 30 Exemplare, das größte mit der stattlichen Spannweite von vier Metern, das kleinste mit ganzen 55 Zentimetern. Der Fantasie sind beim Bauen keine Grenzen gesetzt. Bevor einer seiner Drachen in die Luft steigt, sind zahlreiche Freizeitstunden nötig. Ein maßstabsgetreuer Plan muss angefertigt werden, ehe das Gestell aus Karbon und das Tuch aus Glasfaser verstärktem Kunststoff konstruiert wird. Aber auch der beste Plan gibt keine Garantie für die Flugfähigkeit des Drachens. „Es kann schon vorkommen, dass ich einen Drachen modifizieren, das heißt umbauen muss, damit er auch richtig fliegt", meint der 55-Jährige, der seine Werke „wie ein Heiligtum hütet." Schließlich hat das größte Exemplar einen Wert von rund 300 Euro. Da ist es verständlich, dass Mohr stolz darauf ist, noch keinen zerlegt zu haben. Was so spielerisch einfach aussieht, „ist eine Kunst," vor allem wenn der Kleine fliegen soll. Alle Drachen, die der Großwenkheimer gefertigt hat, sind Lenkdrachen. Viel Gefühl, das richtige Einschätzen der Windverhältnisse und teilweise auch eine ganze Portion Kraft sind nötig, wenn der Drachen richtig und über mehrere Stunden fliegen soll. Hinzu kommen die Berücksichtigung der Sicherheitsbestimmungen, etwa die Nähe zu Flugplätzen und Elektroleitungen. Die Seillänge darf 40 Meter nicht übersteigen. Je mehr Wind, desto kleiner der Drachen, ist eine weitere Regel. Und wenn der Wind mit Stärke neun bis zehn ordentlich bläst, wie es Mohr auf der Nordseeinsel Borkum schon erlebt hat, dann ist nicht nur ein Hauch Abenteuer im Spiel, sondern bei einer Zugfestigkeit von rund 100 Kilopont „eine ganze Portion Schmackes."
Die gleichmäßigen Windverhältnisse und die vielen Freiflächen an der Nordee bezeichnet Mohr als „Traumgebiet" für sein Hobby. Häufig fährt er in die Rhön zur Wasserkuppe, da in der engeren Umgebung das Gelände mit den bebauten Feldern kaum geeignet ist. Je nach Lust und Laune lässt Mohr seine Drachen steigen, häufig auch unter den staunenden Blicken von Zuschauern. Das Spiel der Naturkräfte dient ihm „zur Entspannung und Erholung." Die Teilnahme an Wettbewerben, es gibt sogar Weltmeisterschaften, ist kein Thema, da „zu stressig." Dass in unserer Gegend kaum noch Drachen in der Luft schaukeln, bedauert Mohr. „Die Kinder haben heute wohl weniger Lust und setzen sich lieber vor den Computer, Misserfolge, wenn Billigprodukte nicht zum Fliegen zu bringen sind oder das mangelnde Interesse der Eltern", vermutet Mohr als Gründe. Er selbst lasse sich davon nicht entmutigen. „Wenn ein Drachen im Wind tanzt oder zu den tollsten Flügen gesteuert werden kann, dann kann ich dabei prima relaxen", so der Hobbydrachenbauer, dessen Keller ein sehenswertes und beeinruckendes Drachenarsenal ist.
Foto: Karl-Heinz Mohr mit dem größten und dem kleinsten seiner selbst konstruierten Drachen