Prächtiges Haus mit langer Tradition


Es ist in Großwenkheim neben der Pfarrkirche das wohl eindrucksvollste Gebäude. Gemeint ist das markante Haus mit der Aufschrift „Gasthaus zum Adler.“ In diesem Jahr kann es auf stolze 300 Jahre zurückblicken und gehört damit zu den ältesten Gebäuden im Ort, 50 Jahre älter als die barocke Pfarrkirche. Das Gasthaus steht nur wenige Meter östlich der Kirche an der Staatsstraße von Münnerstadt nach Bad Königshofen, direkt an der Abzweigung in die Kreisstraße Richtung Maria Bildhausen und Bad Neustadt. Die geografisch günstige Lage führt auch dazu, dass viele Personen aus dem Nachbarlandkreis Rhön-Grabfeld aus unterschiedlichen Gründen, die im Verlauf des Artikels erklärt werden, das Haus besuchen.


 


Beide Häuser, Kirche und Gasthaus, ließen Äbte des benachbarten ehemaligen Zisterzienserklosters Bildhausen errichten, der in Großwenkheim geborene Abt Bonifatius Geßner (1699 – 1770) das oft als „Dom der Vorrhön“ zwischen 1765 und 1772 erbaute Gotteshaus, Abt Augustinus Stapf (1659 – 1731) das besagte Gasthaus. Bonifatius Geßner war der 41. und drittletzte Abt von Bildhausen vor der Säkularisation 1803 und leitete das Kloster von 1754 bis 1770. Augustinus Stapf stand von 1703 bis 1731 an der Spitze und war in der Reihenfolge der Äbte die Nummer 39.


Abt Augustinus war der Sohn eines Bauern aus dem benachbarten Wermerichshausen, wo er am 25. Dezember 1659 geboren wurde. Im Alter von 21 ¾ Jahren wurde er am 20. September 1681 als Novize im Kloster Bildhausen aufgenommen, wo er am 29. September 1682 seine Profess ablegte und nach seiner Priesterweihe am 24. Juni 1684 seine erste heilige Messe las. Am 23. August 1703 wurde er zum Abt gewählt, wo es in unruhigen Zeiten große Probleme und Streitigkeiten auch bei seiner Abtswahl gab. Erst am 4. März 1704 wurde Augustinus schließlich zum Abt geweiht. Sein persönliches Merkmal in seinem Wappen ist ein brennendes Herz. Das Wappen ist am Gasthaus an der West-Nord-Seite von der Straße aus gut zu erkennen und trägt zudem die Buchstaben und Zahlen 17FAAB23. 1723 bedeutet das Baujahr, F = Frater, A= Augustinus, A = Abbas, B = Bildhausen, also Frater (heute Pater) Augustinus, Abt von Bildhausen. Von diesem Abte wird gerühmt, dass er ein guter Haushälter gewesen sei. Außerdem war er umsichtig, sparsam und hinterließ dem Kloster eine große Summe an Bargeld. Gestorben ist Augustinus am 19. August 1731 an Altersschwäche.

Das Zisterzienserkloster Bildhausen bestand von 1158 bis 1803 und hatte großen Einfluss auf weite Gebiete im heutigen Unterfranken und Thüringen. In vielen Ortschaften der heutigen Landkreise Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld u.a. hatten die Bildhäuser Zisterzienser Besitzungen. In den umliegenden Dörfern waren sie zudem seelsorgerisch tätig.

Zur Geschichte des Gasthauses stehen unter dem Titel „Das Kloster-Wirtshaus-Gasthaus zum Adler“ in der Ortschronik von Wendelin Volk und Josef Wabra aus dem Jahre 1988 anlässlich der 1200-Jahr-Feier von Groß- und Kleinwenkheim einige Informationen, aus dem im Folgenden zitiert wird. „In alter Zeit gehörte das Gasthaus zum „Adler“ dem Kloster Bildhausen, in welchem das Kloster sein Schenkrecht ausübte. Ein Beständer hatte an die Abtei ein „gewisses an Geld und an die Hochfürstl. Cammer zu Wirtzburg deb accis“ zu erstatten. Als das Wirtshausgebäude im J. 1723 baufällig wurde, faßte Abt Augustin Stapf, gebürtig zu Wermerichshausen, den Plan, dasselbe von Grund auf mit Steinen zu erbauen. Weil dieses Wirtshaus Gemeinderecht hatte, hätte die Gmde. Zu dem unteren Stockwerk das Bauholz stellen müssen. „Da nun solches von lauter Stein gebaut worden, hat die Gemeinde statt des Holtz 900 Fuhr Stein Vom Kleinweinckheimer Steinbruch Gock gethan.“

Genanntes Wirtshaus war „Von allen Ordinar- und extraordinar fällen frohn- und Wachfrey; und hat ½ Acker Krautland in breiden Maden, dann neben den gemeinen Recht ein Aspentheil nebst 2 Gerthen Brennholz aus der gemeinen Waldung; jedoch mus der Beständer zur Gemeind jhrl. Entrichten 2 Pfd. Beth und 28 Pf.“


An der Kirchweyh hat das Kloster das Recht Blohn-Wein zu schencken, und ist ein jeder Innwohner Verbunden, nicht anderswoher, sondern allein Von diesen Wein zu nehmen. Hingegen solle hiesiges Kloster dem Beständer, der solchen ausschenket, für jede Maas 3 Heller Lohnen. Doch ist ihnen erlaubet in Zeit der Fastnacht, oder sonst in einer guten Gesellschaft, oder bey Aufrichtung eines Baues, Wein in Flaschen außerhalb Weinckheim zu hohlen zum Austrinken., nicht aber zum Ausschenken.“

Im Laufe der 300 Jahre wechselte das Wirtshaus mehrmals den Besitzer. Bei der Säkularisation 1803 kaufte der Kloster-Chirurg Christof Wackenreuther das Klosterwirtshaus samt dem auch zum Kloster gehörigen Backhaus zum großen Glück für die Gemeinde; denn dadurch blieben beide Häuser mit den Höfen von der Säkularisation verschont. Der Text am Anfang im Kaufbrief des Wirtshauses betreffend lautet: „Im Namen seiner Kaiserlich-Königlichen Hoheit des Erzherzogs Ferdinand Großherzogs von Würzburg: Zu wissen sey hiermit, daß der großherzogliche Unterthan Christof Wackenreuther zu Großwenkheim das dem vormaligen Kloster Bildhausen zugestandene – jetzt herrschaftliche Wirtshaus allda, mit Stallungen, eingebautem Schlachthause und 7 ½ Gerten Küchengarten, dann die übrigen Eingehörungen von anderthalb viertel Morgen 8 Gerten Krautfeld, und 2 Gerten jährliches Güterholz nebst den auf dem Hause haftenden Gemeinderechten von vierthalb viertel Morgen Wiesen und bürgerlichen Lasten bey der am 27 May d.J. Vorgewesenen öffentlichen Versteigerung um das Meißtgeboth von Drey tausend Vier hundert und 60 Gulden rheinischer Währung unter nachfolgenden Bedingnissen ersteigert, und von der verkaufenden höchsten Stelle zugeschlagen erhalten habe.“ Wzbg., den 20. Juli 1807.

Im Jahre 1846 verpachtete Eva Wackenreuther, die Besitzerin des Gasthauses zum Adler, ihre Gastwirtschaft an den ledigen Kaspar Fleischmann von hier. Seit dieser Zeit wechselten mehrere Besitzer.“ Soweit die Informationen aus der Ortschronik.

Karl Sotier, Bäcker und Gastwirt aus dem benachbarten Seubrigshausen, erwarb im Jahre 1907 das Gasthaus „zum Adler“ von Hans Friedrich Gaiser, Brauereibesitzer in Münnerstadt, und zog mit seiner Familie nach Großwenkheim. Auf bescheidenen 20 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnete Sotier in dem traditionsreichen Gebäude zudem einen Kramerladen und eine Bäckerei. Gekauft wurde damals, was die Leute nicht selbst herstellen konnten, etwa Salz, Zucker, Gewürze, Waschmittel, Farben, Kuhketten, Distelstecher, Nägel, Schrauben und auch der örtliche Schreiner kaufte seine Beschläge für Särge. Feste Einkaufszeiten gab es keine. Eingekauft wurde oft bei Bedarf. Zum Brotbacken brachten die Einwohner Brotteig und Reisigwellen zum Sotier. Bereits 1948 trat Karl Sotier der Edeka-Handelsgruppe bei. Eine Verbindung, die in diesem Jahr seit nunmehr 75 Jahren besteht. Bis 1960 führte Karls Sohn Otto das Geschäft, die Wirtschaft und die Bäckerei. Sohn Karl-Heinz setzte die Familientradition fort und ab 1995 fungierte er gemeinsam mit seinem Sohn Matthias als Inhaber. Seit 2016, nach dem Tode von Karl-Heinz, ist Matthias Sotier Alleininhaber.

Im Laufe der Jahre gab es immer wieder notwendige Um- bzw. Anbauten. Die veränderten und gestiegenen Kaufbedürfnisse der Einwohner veranlassten Karl-Heinz Sotier zum Neubau des Kolonialwarenladens direkt angrenzend an das historische Gebäude in östlicher Richtung. Die Verkaufsfläche wuchs von 20 auf 140 Quadratmeter und entsprechend ausgeweitet wurde das Warensortiment. 1990 wurde die eigene Bäckerei aufgegeben und Backwaren werden seitdem von einem externen Bäcker angeboten. Eine weitere große Expansion erfolgte 1992 mit der Erweiterung auf rund 400 Quadratmeter.

Der „nah & gut“ Einkaufsmarkt Sotier in Großwenkheim ist das einzige vergleichbare Geschäft im Umkreis von etwa zehn Kilometer. Nicht nur die Einwohner von Großwenkheim wissen die vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten am Wohnort zu schätzen. Auch viele Personen aus den umliegenden Ortschaften, vor allem auch aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld gehören zu den Stammkunden. Gerne wird auch das Gasthaus „zum Adler“ zu bestimmten Anlässen, häufig zu Familienfeiern oder von Wander- und Fahrradfahrergruppen besucht.

Seit der Eröffnung des Biergartens „Zum Stachus“ im Jahre 2009 gibt es in Großwenkheim unmittelbar neben dem historischen Wirtshausgebäude eine weitere Attraktion. Wie aber kam es dazu? Bei einem Kurzurlaub in bayerischen Gefilden kamen Matthias Sotier und seiner Frau Anja die Idee, zu einem Gasthaus in Bayern gehöre auch ein Biergarten. Zufälligerweise stand ein Nachbargrundstück zum Verkauf und so entstand nach dem Abriss verschiedener Gebäude ein idyllischer, ruhiger und windgeschützter Biergarten, ideal gelegen, gut erreichbar und auch gerne besucht von Radfahrern und Wandereren, dank der guten Radwegeverbindungen, aus allen Richtungen. Damit gibt es nicht nur in München den „Stachus“, eigentlich der Karlsplatz, auch Großwenkheim hat seinen „Stachus“. Namensgeber war Eustach Behr, der einstige Besitzer des Nachbaranwesens, in Großwenkheim eigentlich nur unter dem Namen „Stachus“ bekannt. Und als Madeleine, die Tochter von Matthias und Anja Sotier, immer wieder sagte, als sie mit den Eltern oder Großeltern zur Baustelle ging, „Wir gehen zum Stachus“, war der Name geboren.


Das historische Gasthaus, das auch Übernachtungsmöglichkeiten bietet, der Einkaufsmarkt und der Biergarten sind wertvolle, immer seltener werdende Einrichtungen für die Versorgung und sozialen Bindungen der Bevölkerung im ländlichen Raum und heben sich wohlwollend ab von den unattraktiven, überdimensionierten und unpersönlichen Einkaufstempeln. Davon profitieren nicht nur die Einwohner von Großwenkheim, sondern auch viele Ortschaften in den Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Schweinfurt. Das Gasthaus „zum Adler“ hat in seinem 300-jährigen Bestehen nichts von seinem imposanten Aussehen und seiner Bedeutung eingebüßt, letztere sogar vergrößert.

Quellen: Volk/Wabra: Chronik von Großwenkheim 1988;

Rost: „Geschichte der fränkischen Zisterzienser-Abtei Bildhausen 1852.

Foto: Gasthaus „zum Adler“;

Foto: Das Wappen von Abt Augustin Stapf an der Eckseite des Gasthauses

Foto: Gasthaus „zum Adler“ (rechts im Vordergrund ist die Schmiede); undatierte Aufnahme;

Foto: Biergarten „Stachus“