Alte Tradition soll erhalten bleiben



Seit vielen Jahren wird in Großwenkheim eine alte Tradition gepflegt. Zum Fest Mariä Himmelfahrt am 15. August, dem Patrozinium, binden Frauen Würzbüschel. Um die Tradition weiter zu erhalten, übernimmt Dora Lenhart die Organisation von Erika Gehring. Das Binden von Würzbüscheln hat eine sehr lange Geschichte und war schon in vorchristlicher Zeit als Brauch bekannt. Um das Jahr 745 n. Chr. wurde der Brauch zunächst verboten und wenig später christianisiert, indem man die Wirkung der Kräuter auf Gott sowie insbesondere auf die Fürsprache der Gottesmutter Maria zurückführte.

Im fränkischen Raum wird dieser Brauch seit dieser Zeit, urkundlich verbrieft, gepflegt. Im Volksglauben dienten die Würzbüschel zur Abwehr von Unheil aller Art, beispielsweise Krankheiten oder Unwetter. Die Weihe der verschiedenen Kräuter stellte eine Symbolhandlung dar, in der die Kräfte der Natur mit der Hilfe Gottes für den Menschen nutzbar gemacht werden. Die Würzbüschel wurden auf dem Dachboden aufgehängt, im Herd verbrannt oder dem Viehfutter beigemischt. „Was dem Menschen bei Krankheitsbeschwerden nützlich ist, hilft auch dem Vieh“, war die weitverbreitete Meinung unserer Vorfahren. In Großwenkheim wurde dieser Brauch vorwiegend in den einzelnen Familien gepflegt. Da das Interesse an den Würzbüscheln aber immer größer wurde, hat Erika Gehring im Jahre 1994 das Binden organisiert. „Da musste ich erst einmal die verschiedenen Kräuter kennenlernen“, erinnert sie sich. Wenige Tage vor dem höchsten Feiertag in Großwenkheim werden seitdem Kräuter und Blumen gesammelt und von mehreren Frauen zu den duftenden Würzbüscheln gebunden. Nach einem ungeschrieben Gesetz müssen mindestens sieben verschiedene Kräuter in einem Büschel enthalten sein. „Königskerze, Ringelblume, Lavendel, Beifuß, Mädesüß, Johanniskraut, Holunder, Eberesche, Zitronenmelisse, Boretsch, Oregano und alles was der Garten hergibt, wie Thymian und Estragon“, zählt Erika Gehring auf. Im ersten Jahr wurden 60 Büschel gebunden, in diesem Jahr 120. Knapp 20 Jahre kamen die Frauen bei Erika Gehring in der Scheune zusammen. Seit etwa fünf Jahren werden die Büschel unter dem überdachten Vorbau der Scheune von Arno Schlembach gebunden. Etwa 15 Frauen im Alter zwischen 50 Jahren und 80 Jahren beteiligen sich daran. Nach mehr als 20 Jahren gab Erika Gehring die Organisation aus gesundheitlichen Gründen in jüngere Hände, an Dora Lenhart ab. „Dieser Brauch muss generationenübergreifend weitergehen“, sagt Gehring. „Ich möchte, dass diese Tradition im Dorf weiterlebt“, meint Dora Lenhart. Dadurch werde die Gemeinschaft im Ort weitergepflegt und auch die Kirchengemeinde unterstützt. Die Würzbüschel werden, nachdem sie im Gottesdienst geweiht wurden, gegen eine Spende an die Bevölkerung abgegeben. In diesem Jahr dient der Erlös der Renovierung der Kirchenorgel. Beim Suchen der geeigneten Kräuter sind auch Männer behilflich. „Das Binden der Büschel geht nur in Teamarbeit“, sagt Erika Gehring. Nicht jede Frau kann alle Schritte selbst erledigen. Etwa 20 Minuten werden für einen Büschel benötigt. Dann ist das farbenfrohe und wohlriechende Kunstwerk fertig. Beim Blick in die Runde meint Gehring, sie würde sich wünschen, wenn mehr jüngere Frauen sich für das Binden der Würzbüschel interessieren würden. „Jetzt kommt das Schönste“, freut sich nicht nur sie. Wenn alle Büschel wohlgeordnet auf den Tischen liegen und die Abfälle aufgeräumt sind, sitzen die Frauen noch bei einer kräftigen Brotzeit mit Brot und Käse, sowie Kaffee und Kuchen zusammen. Die Bedeutung des Würzbüschels hat sich im Laufe der Zeit bei vielen Menschen verändert. Der Würzbüschel hat inzwischen oftmals eine ästhetische Wirkung in den Wohnungen. Der bunte Trockenstrauß ist eine attraktive, lang anhaltende Dekoration.


Eifrig werden die Würzbüschel von den Frauen gebunden. Links Erika Gehring, im Hindergrund rechts daneben
ihre Nachfolgerin Dora Lenhart.