Feldpostbriefe von und nach Stalingrad

Erich Fries aus Großwenkheim hat seltenes, zeitraubendes Hobby. Seit über 20 Jahren sammelt er Feldpostbriefe und Karten. Fein säuberlich eingeheftet füllen inzwischen rund 47 700 Briefe und Karten acht große Ordner. Das Ziel des 62-Jährigen, der inzwischen Rentner ist, sind die 50 000, „dann möchte ich aufhören.“ So ganz glaubt Fries an dieses Ziel wohl selbst nicht, dazu macht ihm das Erwerben, Sichten, Ordnen, Recherchieren und Ausstellen doch viel zu viel Freude. Als Rentner hätte er auch genügend Zeit dazu, zumal seine Sammlung bundesweit anerkannt ist und er schon diverse Ausstellungen in anderen Bundesländern hatte.

Seit einiger Zeit beschäftigt sich Fries schwerpunktmäßig mit dem Briefverkehr von und nach Stalingrad. Die bekannteste Schlacht des 2.Weltkriegs fand vor genau 70 Jahren statt. 250 000 deutsche Soldaten waren eingeschlossen. „Die meisten Briefe und Karten in die Heimat sind angekommen, in den Kessel von Stalingrad die wenigsten“, sagt Fries. Interessant seien natürlich die Mitteilungen und hauptsächlich baten die Soldaten um Nahrung. „Die Wahrheit über die Kriegszustände durfte nicht geschrieben werden, nur dass sie Hunger haben“, so Fries. Der letzte Flieger startete am 24.Januar 1943 in Stalingrad und brachte damit die letzte Post heraus. Viele Briefe und Karten sind verschwunden und die Zahl der Originalbriefe werde immer weniger, da viele Zeitzeugen inzwischen gestorben sind und die Nachkommen, so Fries, die Feldpost, und damit geschichtlich wichtige stumme Zeugen, vernichten. Im Kessel von Stalingrad waren auch sechs Männer aus Großwenkheim. Fünf sind gefallen, einer starb zwei Monate nach dem schrecklichen Ende der Schlacht in einem Kriegsgefangenenlager. Fries besitzt eine original Luftpostkarte von Ludwig Behr, einem der Großwenkheimer Soldaten. Die Briefmarke ging allerdings verloren. Die Feldpost war im übrigen für die Soldaten und ihre Angehörigen während der Kriegszeiten portofrei. Im letzten Jahr hatte Fries noch Briefkontakt mit einem 93-jährigen Überlebenden des Kessels von Stalingrad. Er stammte aus Sachsen und wohnte zuletzt im Rheinland. Ob er noch lebt, weiß Fries nicht. In seinem letzten Brief teilte er nur mit, dass er inzwischen erblindet sei. Von ihm bekam Fries einen Brief und eine Kriegsgefangenenpostkarte geschenkt. Und Erich Fries erzählt auch noch eine Episode. „Der Mann wurde aus dem Kessel ausgeflogen, weil er heiraten wollte. Von seiner Frau bekam er zur Hochzeit selbst gestrickte Handschuhe. Nach der Heirat musste er zurück nach Stalingrad. An den Handschuhen hat die Frau ihren Mann in einem Bericht der Wochenschau erkannt.“ Speziell zu Stalingrad hat Fries inzwischen auch 45 Bücher. „Die meisten habe ich auch gelesen. Zwei dieser Bücher stellen die Geschehnisse aus russischer Sicht dar.“ Ganz wichtig ist auch ein Band, in dem alle Feldpostnummern verzeichnet sind. Anhand dieser Nummern kann Fries dann mit Hilfe von Karten genau recherchieren, wo die Briefe abgeschickt wurden. Von Stalingrad hat Fries 420 Karten und Briefe. Der leidenschaftliche Sammler erwirbt die Exemplare bei Tauschbörsen, meistens ersteigert er sie über Ebay. Da kann eine Kesselpost schon einmal bis zu 50 Euro kosten. Ansonsten bewegen sich die Preise meistens zwischen 25 Cent und einem Euro.

Eigentlich ist der aus Burglauer stammende Fries Briefmarkensammler. Durch seine Heirat nach Großwenkheim kam er zu seinem neuen Hobby. Der Großvater seiner Frau Monika, Otto Müller, der von 1945 bis 1962 Bürgermeister von Großwenkheim war, hatte 150 Feldpostbriefe. Diese weckten bei Erich Fries die neue Leidenschaft. Manchmal sitzt er bis nach Mitternacht am Computer, um akribische Nachforschungen über Feldpostbriefe anzustellen. Tausende von Stunden hat er schon in sein Hobby investiert.

Die Reservistenkameradschaft Großwenkheim und der Verein der Briefmarkenfreunde Bad Neustadt/Saale veranstalten unter dem Titel „Die Schlacht um Stalingrad vor 70 Jahren“ eine Feldpostausstellung von Erich Fries am 26. und 27.Januar 2013 im Rathaussaal in Münnerstadt. Die Ausstellung ist bei freiem Eintritt geöffnet von 9 Uhr bis 16 Uhr. Gezeigt wird außerdem ein Film über den Einsatz in Stalingrad. Um eine Spende für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wird gebeten. Die Spende wird für den deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka bei Stalingrad verwendet.

Gezeigt werden bei der Ausstellung Feldpostbriefe der Soldaten Walter Kicherer aus Kirchheim und Oskar Brunn aus Würzburg, von 1939 bis Stalingrad im Januar 1943. Dazu Feldpostbriefe an und von Einheiten, die in Stalingrad gekämpft haben, sowie Kesselfeldpost mit Briefen und Postkarten vom 21.11.1942 bis 02.02.1943 und Briefverkehr vom Arbeitsstab Stalingrad.
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Foto1: Erich Fries mit Feldpost des aus Großwenkheim stammenden Ludwig Behr



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Foto2: Feldpostbriefe des Oberleutnants Dietrich Muthesius